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Audienz bei Lindenberg 

So wird Udos neue Mega-Show

Draußen plätschert die Ostsee, Rentner in Funktionsjacken stiefeln vorbei. Drinnen steht ein bald 70-Jähriger und stellt klar, dass er kein Rentner ist: „Das ist die größte Rock-Revue der Welt, es gibt derzeit nichts Größeres.“ Die Rolling Stones? Haben kleinere Leinwände. AC/DC? Kleinere Boxen. Und Udo hat diese Flug-Show, mit einer Gondel wird er quer durchs Stadion schweben. „Wenn wir das schon machen, dann richtig. Think big und so“, nuschelt er.  Wie das aussieht, zeigt er eine halbe Stunde später bei der Generalprobe ohne Publikum – die MOPO war live dabei.

2016 wird das Jahr von Udo Lindenberg – nicht nur, weil die Rocklegende am 17. Mai  70. Geburtstag feiert: Am Freitag veröffentlicht er sein neues Album „Stärker als die Zeit“. Dann sticht er mit 2000 Fans auf dem „Rockliner“ in See. Ab 20. Mai begibt er sich auf seine bisher größte Tournee durch Stadien und Arenen.

 

Von seinem Zimmer im Maritim Seehotel kann Udo Lindenberg (69) es sehen: Sein Skulpturen-Denkmal an der Promenade in Timmendorfer Strand, das gerne von Fans umsäumt wird. In dem Ostseebad schrieb die Rocklegende einst das Lied „Horizont“.

Seit vielen Jahren bereiten sich Udo und sein Panikorchester hier auf ihre Tourneen vor und veranstalten öffentliche Generalproben, die längst Kultstatus haben. Schon die Generalprobe der Generalprobe hört man bis ans Wasser. In der Lobby des Hotels erinnern zahlreiche Träger von weißen Frottee-Bademänteln eher an Udo Jürgens, nur ein einsamer Lindi-Doppelgänger streift an diesem Nachmittag zwischen ihnen umher. Er bleibt nicht lange allein.

Hinter dem Restaurant im ersten Stock hat Lindenberg in einem Saal gerade einen ersten Probe-Durchlauf der Show beendet. Alles noch streng geheim! Jetzt steht ein „Meet & Greet“ mit Hotelgästen an. Liegend auf dem Bühnenboden und Zigarre paffend malt Udo etliche Male sein Antlitz auf Papier, nimmt Likörflaschen entgegen, schnackt tiefenentspannt mit den Leuten.

„Udo ist so dankbar, dass wir hier proben dürfen, er nimmt sich gerne die Zeit dafür“, sagt Detlev Schilling (59), seit 25 Jahren Udos Tourmanager und von ihm „Heimleiter“ genannt. Die Stimmung ist auf und vor der Bühne freundlich: „Wir sind wie eine Familie und kennen uns alle seit vielen Jahren“, sagt Schilling. „Am längsten ist wohl  Beleuchter Mietze dabei, der ist 77.“

Udo hat sich mittlerweile von den Autogrammjägern verabschiedet. „Jetzt muss ich nur noch den Tänzerinnen die Haare schneiden“, lässt er ausrichten. Denn er ist drei Stunden zu spät für unser Interview. Flexibel muss man bei Udo schon sein, finden auch seine Mitarbeiter. Als Udo zurückkommt, nuschelt er: „Ich habe gerade Köpfe rasiert. Meine Tänzerinnen sind so schön, die brauchen keine Haare.“

Dann ertönt die Melodie von „Der Pate“. Neun Musiker und drei Tänzerinnen wirbeln über die Bühne. Dampfpistolen, Arztkittel, fettes Licht, fette Leinwand, fetter Sound: auch ohne Fluggondel schon stadionreif. Neun Lieder vom neuen Album spielt Udo. Das Gitarrenriff von „Einer muss den Job ja machen“ erinnert an Run DMC.

„Du bist ne coole Socke“ dürfte auch Kindern gefallen. Die Ballade „Mein Body und ich“ ist ein Dankeschön: „Andere hätten bei so ’nem Leben längst den Löffel abgegeben“, singt Udo und tänzelt demonstrativ. Die Lebenserfahrung eines Mannes im besten Alter spiegelt sich in seinen neuen Liedern wider. Das macht Songs wie „Durch die schweren Zeiten“ und „Eldorado“ erst so berührend.

Nach anderthalb Stunden Privatkonzert macht der Panikrocker zu „Woddy Woddy Wodka“ im Astronauten-Kostüm den Abgang. Udo ist eben auch mit fast 70 noch ein Überflieger.

Quelle: MoPo, 25.04.16