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Kategorie: aktuell

Hallöchen, keine Panik

In Berlin feierte Udo Lindenbergs Musical "Hinterm Horizont" Premiere.

Das Stück beantwortet die Frage nach dem "Mädchen aus Ost-Berlin". Wer war sie? Was ist aus ihr geworden?

Der Chefredakteur hat eine Idee: Das Mädchen aus Ost-Berlin soll gefunden werden, jenes Mädchen, von dem Udo Lindenberg einst in seinem Stück "Wir wollen doch einfach nur zusammen sein" sang. Also setzt er seine forsche Investigativjournalistin Mareike (Spitzname: Watergate) auf die Spur, die das Mädchen, das natürlich längst eine Frau ist, gleich eine Minute später findet. Sie heißt Jessy, wohnt mit der Familie in einer viel zu kleinen Wohnung in Berlin, das Glück ist überschaubar. Doch Mareike reißt Jessy aus ihrer Routine und schleudert sie in die Vergangenheit zurück.

1983, Lindenberg gibt ein Konzert im Osten, Jessy und er verlieben sich, in Moskau sehen sie sich Jahre später wieder. Anschließend ist sie schwanger, heiratet den Falschen, die Mauer fällt, die Jahre vergehen. Zurück in der Gegenwart kommt es zur spontanen Familienzusammenführung, alle sind glücklich und der Chefredakteur hat seine gewünschte Geschichte.

Das Ergebnis ist eine zumindest dem Anspruch nach inhaltlich wertvolle Geschichte, die zwar angemessen haarsträubend ist, aber leider nur wenig Gelegenheit bietet, unablässig Hits abzufeuern.

Konsequent schwankt Autor Thomas Brussig ("Helden wie wir", "Sonnenallee") zwischen massiver Lindenberg-Beweihräucherung und eher lahmem DDR-Bewältigungsklamauk, das Singen und Tanzen wird darüber ganz vergessen. Auch Regisseur Ulrich Waller hielt es wohl für originell, ein Musical zu inszenieren, das sich zumindest in der ersten Hälfte eher wie ein Theaterstück mit kurzen Gesangseinlagen gibt, in dem nur eine überschaubare Anzahl von Beteiligten auf der Bühne stehen, bei dem im Grunde keine Shownummern vorkommen, keine Gassenhauer und auch keine großen Momente.

Aber dann, kurz vor Schluss, bekommt man doch noch eine Ahnung davon, wie "Hinterm Horizont" hätte werden können, wenn sich die Verantwortlichen statt an einem lindenbergschen Wiedervereinigungsmusical einfach an einem Lindenberg-Musical versucht hätten.

Die Handlung hat die Zuschauer inzwischen in die Empfangshalle des Hamburger Hotels Atlantic geführt. Dann wird nämlich, ohne dass dafür ein nachvollziehbarer Grund existiert, Lindenbergs vielleicht bester Song "Alles klar auf der Andrea Doria" zum Besten gegeben.

Quelle: Welt-Online, 14.01.11