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Keine Panik: "Hinterm Horizont", das Musical über Udo Lindenberg, steht kurz vor der Uraufführung

Leipzig. "Hinterm Horizont" schildert eine große deutsch-deutsche Liebesgeschichte. Westrocker verliebt sich in Ost-Berliner Mädchen. Mit den Hits von Udo Lindenberg und Texten von Thomas Brussig ("Sonnenallee") wird das Musical am 13. Januar im Berliner Theater am Potsdamer Platz uraufgeführt. Während der Proben sprachen die Hauptdarsteller über ihre Rollen. Statements von Lindenbergs ergänzen das Gespräch.

Josephin, Sie sind kurz vor dem Mauerfall in Pankow geboren und spielen nun Udos Mädchen aus Ostberlin. Kennen Sie das Original?

Josephin Busch: Ich kenne das Original-Mädchen aus Ostberlin nicht und habe daher die Freiheit, sehr viel von mir mit in die Rolle einzubringen. Da ich aus dem Osten bin, glaube ich noch viel vom Lebensgefühl mitbekommen zu haben.

Was wissen Sie über die Stasi-Problematik?

Für die nicht zu unterschätzenden Schattenseiten musste ich viel recherchieren. Ich achte bei der Rollenvorbereitung darauf, dass in Jessy alle Seiten der DDR sichtbar sind. Ich hoffe, das klappt.

Udo Lindenberg und Regisseur Ulrich Waller sind von Ihnen begeistert. Spornt das bei den Proben an?

Auf jeden Fall motiviert es und ist ein schönes Gefühl, dass beide grundsätzlich schon mal glücklich sind mit meiner Art der Darstellung. Das gibt mir viel Sicherheit, mich ganz frei auszuprobieren. Ich kann locker an der Rolle feilen und das Skelett mit bunten Sachen füllen.

Regisseur, Choreographin Kim Duddy und Ihr Partner Serkan Kaya sind erfahrene Musical-Interpreten. Hilft das bei den Proben?

Es ist super, mit solchen Profis zu arbeiten, alles geht schnell und effektiv voran. Das mag ich. Jeder bringt seine Ecken und Kanten mit ein. Ich habe volles Vertrauen in Kim Duddy und Ulrich Waller und natürlich in Serkan. Er ist ein großartiger Spielpartner, der einem auf der Bühne sehr viel gibt.

Bühnensicher sind Sie schon durch ihre Auftritte in Rockbands und dem Kultmusical "Der Traumzauberbaum" von Monika Ehrhardt und Reinhard Lakomy. Sind Sie dennoch aufgeregt?

Und wie! Alle sind gespannt auf dieses Stück. Und mein Herz hängt daran, deswegen will ich das natürlich gut machen. Aber ich bin ganz zuversichtlich! Viel Freude - keine Panik!

Serkan Kaya, Sie haben an der Folkwang-Schule Essen studiert, zwischen Köln, Zürich und Wien große Erfolge gefeiert. Was erwarten Sie von Ihrem Berlin-Debüt?

Serkan Kaya: Wäre ich Fußballer, würde ich sagen: Ich bin nach Berlin gekommen, um den Titel zu holen! Viel wichtiger ist doch, was Berlin von uns erwarten kann. Eine Show, die zu Berlin passt und durch die Aufsicht des Paten Udo Lindenberg authentisch wie Berlin ist.

Persönlichkeiten, wie etwa Kaiserin Elisabeths Mörder Luigi Lucheni oder den Jesus-Verräter Judas haben Sie schon erfolgreich verkörpert. Nun spielen Sie eine lebende Legende und singen Titel, deren Original das Publikum kennt. Eine zu bewältigende Aufgabe?

So eine Aufgabe ist nur zu bewältigen, wenn man es nicht als Doppelgänger-Show sieht, sondern in Anlehnung an Udo seine eigene Figur kreiert. Der Capitano lebt und hat mehr Energie, als wir alle zusammen. Wer ihn sehen will, geht zu seinen Konzerten. Wer ein Musical über ihn sehen möchte, kommt zu uns.

Was ist das für ein Gefühl, in einer Uraufführung eine Kunst-Figur zu entwickeln?

Ich hatte bei all den Rollen, die ich spielen durfte, immer das Gefühl gehabt, sie auch zu kreieren, obwohl keine Welturaufführung dabei war. Dennoch freue ich mich sehr, ein kleiner Pionier zu sein. Hauptsächlich, weil ich dadurch mit solchen Großen zusammen arbeiten kann, wie Udo Lindenberg oder Ulrich Waller.

Das Musical schildert eine deutsch-deutsche Liebesgeschichte mit Hindernissen. Hatten Sie als in Nordrhein-Westfalen lebender Deutsch-Türke eine Ahnung von der DDR?

Ich war bei der Wiedervereinigung zwölf Jahre alt, bin tief im Westen geboren. Viele meiner Generation teilen dieses Schicksal. Wir sahen die Bilder vom Mauerfall und haben uns mitgefreut. Doch welche historische Tragweite das hatte, konnten wir nicht wissen. Uns wurde nichts oder nur wenig in der Schule über die DDR erzählt.

Und heute?

Während die Ostalgie umging, waren wir voll mit Westalgie. Heute kommen wir besser klar. Die Gleichmacherei ist vorbei. Vielfältigkeit und Andersartigkeit zu akzeptieren, ist doch geil.

Und was sagt Udo Lindenberg zu Josephin und Serkan?

Udo Lindenberg: Die beiden sind toll. Frische Leute, Top-Besetzung, sehr gute Band, gute Songs. Und vor allem singen sie nicht so musicalmäßig. Das hier ist schön straight. Das kann nur der totale Hammer werden.

Und wie finden Sie Thomas Brussigs zum Teil fiktive Geschichte?

Wir haben 20 Jahre Wiedervereinigung. Da ist das genau richtig. Das wird viele Menschen erinnern, weil es die Biografie von vielen Leuten ist. Erinnerungen. Sehnsüchte. Zielsetzungen. Die Mauer ist weg. Ein bisschen ist sie noch da. In den Köpfen. Und die muss weg.

Und wie wirkt der Stoff auf Sie?

Da kommen die ganzen Erinnerungen wieder hoch. All die Einzelheiten, an die ich mich kaum erinnern konnte, die Begegnungen in Berlin und Moskau. Die ganzen Phantasien gehen da wieder an - wie ein Feuerwerk in meinem Kopf, aber auch in meinem Herzen, meiner Seele!

Ist es Ihr Leben?

Es ist ein Musical! Wenn ich mir aber vorstelle, ich sehe dass auf der großen Bühne, mit dem großen Sound, dann werden wahrscheinlich auch hinter meiner dicken Sonnenbrille manchmal die Augen etwas feucht.

Das Musical "Hinterm Horizont" wird ab dem 13. Januar im Berliner Theater am Potsdamer Platz aufgeführt.

Quelle: LVZ, 28.12.10