Blue Flower

Udo Lindenberg wird 65

 

Neuhardenberg (moz) Udo Lindenberg, zwei Dutzend Mal im Profil. Auf jedem Blatt ein paar Sätze von Prominenten. Glückwünsche. Freundschaftsbekundungen. Auf einem der geklonten Gesichter sind dem Musiker zusätzlich ein paar Bartstoppeln gewachsen. Kollege Helge Schneider bekennt sich schuldig und schreibt: „Hallo Meisenmann, du zwitscherst für uns deine Lieder, bitte komm immer im Frühling wieder. Udo, wir sind Freunde.“

Lindenberg, der sich selbst seit Jahren als Kunstfigur mit Hut, auffälliger Sonnenbrille und Nuschel-Slang pflegt, hat, wie es aussieht, einige davon. Eine ihm gewidmete Ausstellung im Schloss Neuhardenberg, wo er sich bereits wiederholt als Musiker und Maler präsentiert hat, beweist es. Künstler, Politiker, Journalisten: Am Ende, so befindet auch Sänger Heinz Rudolf Kunze, sind wir vielleicht sogar „alle ein bisschen Udo“.

„Mein Leben als Inszenierung“, hat dieser selbst in seiner 2004 erschienenen Biografie geschrieben. „So habe ich es gewollt. Und doch fällt es mir beim Betrachten der Szenen oft schwer zu glauben, dass der Hauptdarsteller in diesem Streifen wirklich der kleine Udo aus Gronau an der Dinkel ist.“ Mehr als 40 Studioalben hat Lindenberg seit 1971 veröffentlicht, hat Filme gemacht und Musicals und ist für seinen Einsatz gegen die deutsche Teilung mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt worden. Sein 65. Geburtstag, den er heute feiert, ist dem Musikkanal MTV Anlass, ihn eines der berühmten Unplugged-Konzerte einsingen zu lassen, während der Berliner Verlag „Neues Leben“ in einem druckfrischen Band das Verhältnis des Musikers zum Osten beleuchtet.

Auch die Ausstellung in Neuhardenberg ist natürlich eine Gratulation zum Geburtstag. Mit Objekten sowie in Wort, Bild und Ton wirft sie einen Blick auf das „Gesamtkunstwerk“ Lindenberg und damit auf eine Karriere, die mit Höhen und Tiefen seit 40 Jahren anhält. Das lässige Wippen in den Knien, die coole Miene, diese „Ich erzähl’ euch jetzt mal was“- Gestik – all das hatte Lindenberg dabei schon am Anfang derselben drauf, wie die Ausschnitte aus Klaus-Dieter Fröhlichs Film „Die Udo-Lindenberg-Schau aus Onkel Pö’s Carnegie Hall“ von 1974 zeigen. In der legendären Hamburger Musikkneipe wirkt der Sänger vor den harten Jungs in Leder­kluft, die im Publikum sitzen, zwar wie ein schmales Handtuch – aber so selbstbewusst, dass man sich um ihn schon damals keine Sorgen machen musste.

Noch ohne Hut und Sonnenbrille zeigen Lindenberg Fotos aus jenen Jahren, dazu gibt es Notizzettel, auf denen er mit seiner jungenhaften Schrift Gedanken festgehalten hat, Songtexte. Auf manchen, kann man sehen, wurde schon mal ein Kaffeebecher abgestellt. Zwei alte Adressbücher wiederum verraten, dass Lindenberg die Telefonnummer von Klaus-Maria Brandauer ebenso besitzt wie die Adresse von Harry Belafonte.

Mit Letzterem war er 1983 im Ostberliner Palast der Republik aufgetreten – ein Konzert, das nicht zuletzt durch das lange Vorgeplänkel zum Ereignis wurde. Der Briefwechsel, den Lindenberg dazu mit Erich Honecker führte, kann man auch in Neuhardenberg nachlesen – inklusive ironischer Randbemerkungen, nachdem es wieder einmal eine Konzertabsage gegeben hatte: „Vielleicht wollte Honey mit dem Panikorchester singen und man hat die richtige Lederjacke nicht gefunden“. Am Ende hat Lindenberg, wie man weiß, dem DDR-Staatsoberhaupt selbst eine verehrt. Im Schloss ist sie ebenso zu sehen wie Honeckers Gegengeschenk – eine Schalmei.

Ein wenig über den privaten Lindenberg hat der Musiker im Gespräch mit dem Generalbevollmächtigten der Stiftung, Bernd Kauffmann, und Kurator Manfred Besser verraten. An einer der vielen Hörstationen plaudert er über seine Eltern, von denen er jeweils „das Hübscheste abgekriegt“ hat, und über seinen Bruder Erich, den Maler.

Klar, dass es auch von Udo Lindenberg selbst, dem Meister der „Likörelle“, Arbeiten zu sehen gibt. Wie sie entstehen, kann man auf einem Foto von seiner Lebensgefährtin Tine Acke sehen. Es zeigt Lindenberg, wie er an einem Sofatisch sitzt, vor sich ein ordentlich auf Zeitungspapier ausgebreitetes Blatt, dahinter aufgereiht die Schüsseln mit den hochprozentigen Farben.

Die Anfänge als Schlagzeuger bei Klaus Doldinger, sein Leben im Hotel, Dutzende Preise von der Carl-Zuckmayer-Medaille bis zum Bambi: Es gibt kaum ein Kapitel in Lindenbergs Leben, das die Neuhardenberger Ausstellung unbeachtet lässt. Im „Panikland“, das die Sammlung Seidler entwirft, wird sogar die schlechte Presse nicht ausgespart. „Säuft Udo sich zu Tode?“, ist da ein Zeitungsartikel überschrieben, die „Bild“ titelt „200 000 DM im Monat für Wodka“ und die Super-Illu fragt: „Mensch Udo, warum hast du für Erich den Affen gemacht?“

Lindenberg, so scheint es, hat all das nicht wirklich etwas anhaben können. Er tippt sich an den Hut und grinst, gut versteckt hinter seiner Sonnenbrille. In diesen Tagen ist er erfolgreich wie nie; sein jüngstes Album „Stark wie zwei“ erreichte Doppelplatinstatus, und das „Mädchen aus Ostberlin“ konnte seine gefeierte Wiedergeburt auf der Musicalbühne erleben.

Für „Die Prinzen“, zeigt ein Ausschnitt aus einem weiteren Video, ist und bleibt er „der Erfinder der deutschen Rockmusik“. Und auch für den Literaten Benjamin von Stuckrad-Barre ist, wenn es um die Bedeutung von Lindenberg geht, die Sache klar: „Vergiss scheiß Mick Jagger!“

„Udo. Die Ausstellung“, bis 19. Juni, Ausstellungshalle Schloss Neuhardenberg, Di–So 11–19 Uhr;

Thomas Freitag: „Udo Lindenberg und der Osten“, Neues Leben 2011, 144 S., 14,95 Euro

Quelle: Märkische Oderzeitund, 17.05.11