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Udo Lindenberg ist rund um die Uhr mit sich und seinen neuen Plänen beschäftigt

In Berlin will der Rockmusiker sein Musical «Hinterm Horizont» zur Uraufführung bringen. Außerdem zeigt er in der Hauptstadt gerade seine Kunstwerke.

Und dann hat der Panikrocker auch noch den Jacob-Grimm-Preis für deutsche Sprache entgegennehmen müssen. Ganz abgesehen mal davon, dass er ein eigenes Museum einrichten und sein erstes Unplugges-Album einspielen will. Am meisten aber beschäftigt Udo Lindenberg derzeit wohl sein neues Musical «Hinterm Horizont» über ein «Mädchen aus Ostberlin». Das Stück soll am 13. Januar in Berlin uraufgeführt werden. Als Hauptdarstellerin steht Josephin Busch fest. Die 23-Jährige stammt wie in Lindenbergs gleichnamigem Lied aus dem Berliner Stadtteil Pankow, in den der Sänger mit seinem «Sonderzug» reisen wollte. Auf der Bühne heißt das Mädchen Jessy und verliebt sich 1983 bei einem Konzert im Ostberliner Palast der Republik in den Star aus dem Westen. Das Textbuch zu «Hinterm Horizont» schreibt der aus der DDR stammende Autor Thomas Brussig («Sonnenallee»), der beim Konzert 1983 selbst vorm Palast der Republik stand und nicht reinkam. Regie führt Ulrich Waller, Direktor des St.-Pauli-Theaters an der Hamburger Reeperbahn. Michael Best sprach mit Lindenberg über dies und das und alles zusammen.

Herr Lindenberg, Deutschland ist seit 1990 wiedervereinigt. Was würden Sie heute einem 20-Jährigen zur Entstehungsgeschichte Ihres Songs «Mädchen aus Ostberlin» erzählen?

UDO LINDENBERG: Dass das Lied aus zwei Erlebnissen besteht, aus einer Art Vorahnung schon in den 70er Jahren und einer wahren Begebenheit, die dann 1983 im Palast der Republik war. Die wahre Begegnung mit dem Mädchen aus Ostberlin fand ja erst 1983 statt. Wir zeigen ihre Entwicklung und ihre Lebenslüge, wie sie sich arrangiert hat damals in der DDR und wie wir jetzt nach all den Jahren zueinander finden.

Sie sind ja auch Maler. Würden Sie ein Bild zu 20 Jahren deutsche Einheit eher bunt malen oder schwarz-weiß?

LINDENBERG: Eher ein buntes. Die «Bunterepublik Deutschland».

Was ist Ihnen an Ihrem neuen Musical «Hinterm Horizont» besonders wichtig?

LINDENBERG: Dass es sehr authentisch wird, keine Ostalgie-Klamotte. Auch keine Komödie, nicht «Der VEB-Schuh des Manitu». Sondern eine Geschichte, die mehr an der Wahrheit als an der Dichtung gebaut ist, «Romeo und Julia», man könnte sagen, die «East Side Story». Also eine wahre Geschichte, fast eine Familienzusammenführung.

Und welche Botschaft soll «Hinterm Horizont» vermitteln?

LINDENBERG: Das ist ein Stück deutsch-deutsche Vergangenheit, bei dem es darum geht, jetzt damit klarzukommen und die Zukunft zu gestalten, sich näherzukommen und sich irgendwann doch irgendwie in den Armen zu liegen und zu sagen: Pass mal auf, wir sind hier ein Kulturkreis, und wir pushen jetzt hier nach vorne, denn wir werden unserer Verantwortung gerecht, wir haben hier in der Mitte Europas friedenspolitische Impulse in die Welt auszusenden. Perspektiven entwickeln wie einst Politiker wie Willy Brandt. Es muss darum gehen, dass von Deutschland wieder mehr Power ausgeht als noch im Moment. Jeder fünfte Westdeutsche war noch nie im Osten, das ist natürlich traurig. Im Osten werden ganze kleine Städte entvölkert, alle hauen da ab. Das sind Entwicklungen, gegen die man ansteuern muss.

Jetzt die Ausstellung in Berlin, im Januar das Musical – was folgt danach?

LINDENBERG: Wir werden ein MTV-Unplugged-Ding machen, aber erst Mitte nächsten Jahres. Dazu werden wir noch ein paar neue Songs machen und ein paar fantastische Duette. Es ist mein erstes Unplugged-Album. Also eher ein Abenteuer wie das meiste, was wir so machen. Die Spannung bleibt, das hält mich auch frisch.

Apropos nächstes Abenteuer: Wann können Ihre Fans mit einem Udo-Lindenberg-Museum rechnen?

LINDENBERG: Es gibt in Hamburg eine Sammlung mit meinen Bildern, meinen Zyklen, auch über «Faust», die Zehn Gebote, Checkpoint Charlie und so. Und das kommt entweder nach Hamburg oder – wenn es hier aus irgendwelchen Gründen nichts werden sollte – dann geht es nach Berlin oder auch nach Nordrhein-Westfalen. Das wird eine spannende Sache, denn es wird nicht nur über Udo und Panik erzählen, sondern das wird eine Art Fenster ins Zeitgeschehen, in die Geschichte der Bunten Republik Deutschland, die ja jetzt immer bunter werden soll, jeden Tag mehr eine bunte, weltoffene Republik. Dazu will ich als Kulturarbeiter beitragen, dass nicht alles im Gleichmaß erstickt.

Die Proben zu Ihrem Musical starten am 10. November in Berlin. Heißt das notfalls sogar, dass Sie Hamburg den Rücken kehren?

LINDENBERG: Ganz den Rücken kehren sicher nicht, denn hier habe ich zu viele gewachsene Connections. Es kann aber sein, dass ich mich einer anderen Stadt vielleicht mehr zuwende und dort vielleicht auch mehr Zeit verbringe. Sollte das Berlin sein, wäre das nicht so ein Drama, das liegt ja hier gleich um die Ecke. Wie gesagt, im Moment sind die Zeiten ein bisschen open, auch das gehört zum Abenteuer meines Lebens.

«Hinterm Horizon», Uraufführung Theater am Potsdamer Platz, Berlin, 13. Januar 2011 um 20 Uhr. Weitere Vorstellungen bis 31. Mai. Karten zu 32,39 bis 105,99 Euro unter Hotline 01805-44 44.

Quelle: fnp, 26.10.10