Udo hat die Panikkrone auf
Rock-Musik vor altehrwürdiger Kulisse: Udo Lindenberg trat mit großer Band im Frankfurter Kaisersaal auf - inklusive Eintrag ins Goldene Buch der Stadt. Traditionalisten könnten da schlechte Laune bekommen.
Vor zehn Jahren hätte ein solches Konzert wahrscheinlich noch zu Debatten geführt. Udo Lindenberg mit großer Rockband im Kaisersaal? Ist das nicht unpassend für den altehrwürdigen getäfelten Raum? Der Magistratssitzungssaal als Backstagezone für Rock-Musiker?
Im Jahr 2015 geht das. Es gibt erstmals einen Frankfurter Oberbürgermeister, der jünger ist als der Sänger aus Hamburg. Peter Feldmann hat Lindenberg eingeladen, sich ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Der tut das mit der ihm eigenen Mischung aus Entrücktheit und Lässigkeit. Er ergänzt seine Unterschrift um eines seiner Selbstporträts, die ihn mit Schlapphut im Profil zeigen. Keine Frage, der Mann ist ein Zeichentalent.
Durchaus respektvoll
Traditionalisten könnten dennoch schlechte Laune bekommen. Das Ganze ist eine einzige PR-Inszenierung. Hinter dem Tisch mit dem Goldenen Buch ist eine Stellwand mit den Logos von hr1 aufgebaut. Während seines anderthalbstündigen Konzerts, das am 27. April in ebendiesem demokratieabgabenfinanzierten Sender gesendet werden wird, weist Lindenberg geradezu penetrant auf seinen Auftritt in der Commerzbank-Arena irgendwann im Sommer hin. Man wird den Verdacht nicht los, dass der Kartenvorverkauf schwächelt. In Berlin, wo er das Olympiastadion füllen möchte, hat er neulich einen Sonderzug nach Pankow bestiegen und an jeder Station ein Lied genuschelt.
Man kann das Ganze aber auch entspannter betrachten. Der Mann ist schließlich eine Legende. Er hat einige Songs geschrieben, die bleiben werden. Und er bewegt sich im Kaisersaal durchaus mit einem gewissen Respekt vor der historischen Kulisse. Auf die ihm eigene, schnoddrige Art grüßt er zu Beginn des Konzerts die Porträts an der Wand. „Die Kaiser werden bleiben oder sie kündigen“, sagt er voraus. Er bestaunt ihre Kronen, greift sich an seinen Hut und sagt: „Ich habe die Panikkrone auf.“
Er und Band waren gut
Das Publikum besteht aus Hörern des HR, die in irgendeinem Losverfahren aus Tausenden ausgewählt wurden, aus Menschen mit Beziehungen und aus kommunaler Politprominenz. Ein paar Freunde Lindenbergs sind auch gekommen, zum Beispiel der ehemalige Flughafenchef Wilhelm Bender. Wie Lindenberg sich überhaupt gern mit Menschen umgibt. Am Ende stehen 20 Musiker, Sänger und Tänzerinnen mit ihm auf der Bühne. Nicht zu vergessen ein Bodyguard, der ihm wahlweise Nasenspray, geistige Getränke oder Zigarre reicht, eine Bardame und eine Frau von unbestimmten Beruf, die ihm am Ende eine Hutschachtel hinterherträgt.
15 Songs hat er da gespielt, darunter „Alles klar auf der Andrea Doria“, „Hinterm Horizont“ und „Sonderzug nach Pankow“. Er war gut, die Band war gut und gut gelaunt dazu. Man muss das nicht zur Regel machen. Aber ab und zu ein solches Konzert geht in Ordnung, im alterwürdigen Kaisersaal.
Quelle: FAZ, 29.03.15