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Udo in München: Voll die Panik-Attacke in der Olympiahalle

München - Er ist schon 70 - aber davon war am Dienstag in der Olympiahalle nichts zu spüren: Udo Lindenberg rockte vor 10.000 Fans. Eine Konzert-Kritik über den Mann mit Hut, einen Ozeanriesen und einen Drahtseilakt.

Ich lieb Dich überhaupt nicht mehr...? Vergiss es, Udo! Wir lieben Dich noch ganz genauso wie über die Jahrzehnte - wahrscheinlich sogar noch ein gutes Stückchen mehr. So hat sich das ungefähr angefühlt Dienstagabend in der Olympiahalle. 10.000 Leute (ausverkauft) bejubeln Udo Lindenberg, der im zarten Alter von 70 Jahren nach wie vor als Botschafter des Rock'n'Roll unterwegs ist. Noch immer - oder jetzt erst recht. "Keine Panik", das ist das Motto für die aktuelle Tour. Muss man auch nicht haben, Panik. Nicht, wenn man eh schon eine halbe Legende ist. Und wenn man eine richtig gute neue Platte im Gepäck hat ("Stärker als die Zeit").

Wobei man am Dienstag natürlich schon gemerkt hat: Die Leute wollen die Klassiker hören. Die erste große Gefühlswoge schwappt nach einer guten Viertelstunde durch die Halle, als "Cello" gespielt wird. Davor ist Uns Udo am unsichtbaren Drahtseil eingeschwebt, hat den Abend stilecht mit Zigarre und Weißbier, mit Sonnenbrille und Hut eröffnet. Und hat uns einen Vorgeschmack gegeben auf das, was uns da in den nächsten zweieinhalb Stunden erwartet. Eine perfekt durchgetaktete und ausgetüftelte Show mit der Anmutung: Geld spielt keine Rolle. Hunderte Quadratmeter Videoleinwand, ein begehbarer Ozeanriese auf der Bühne, Licht und Ton vom Feinsten: Das ist der Rahmen. Dazu passt natürlich das Panikorchester. Blitzsauber, aufeinander eingespielt und mit so viel Spaß am Gasgeben... Respekt, die Herren! Gelassen bei "Ich mach mein Ding", mit ordentlich Kawumm bei "Rock'n'Roller", bewusst exakt bei "Einer muss den Job ja machen".

Udo Lindenberg in der Olympiahalle: Die Energie ist da!

Und der Meister selber? Mit all seiner Erfahrung über jeden Zweifel erhaben. Gönnt sich zwar ab und zu ein bissl Zeit zum Durchschnaufen, aber die Energie ist da. Das passt nicht nur angesichts des Alters, sondern vor allem auch, wenn man sieht, wie Lindenberg die Verschnaufpausen nutzt. Zum Beispiel fürs Geschichtenerzählen übers alte München. Als Lindenberg in Schwabing wohnte und als Schlagzeuger für den Jazz-Giganten Klaus Doldinger spielte. Genuschelt, natürlich, Easy-Deutsch... Aber dafür geht man ja zu Udo. Für die Lässigkeit, die sonst so gar nicht zu uns Deutschen passt. Und ein paar Minuten später dann auch wieder für anrührende Momente. "Wozu sind Kriege da?" mit Kinderchor - das ist zwar kalkuliert, verfehlt seine Wirkung aber nicht.

Wer den aufmüpfigen Udo hören will, hat seine Freude an "Gegen die Strömung" - und die Halle erweist sich als textsicher. So geht's quer durch die Karriere, mit dem Sonderzug, mit dem Horizont, mit Controlletti. Eine Panik-Attacke mit Ansage. Auch, wenn's zwischendurch ein bissl ruhig wird und die Bühne phasenweise eher nach Musical aussieht als nach Rockhölle ("So sehen"), ist dieser Lindenberg-Abend eine Show voller Kraft. Dazu gehört auch Spaß wie bei den "Herzen der stolzesten Frauen" im Duett mit Stefanie Heinzmann. Ja, das geht auch als Rocker...

Man sagt ja, Lindenberg sei im Vorfeld ein bisschen skeptisch gewesen. Sei sich nicht sicher gewesen, wie heiß das bayerische Publikum auf ihn ist. Sagen wir so: Dienstagabend haben wir viele glückliche Gesichter in der Olympiahalle gesehen, auf der Bühne und auf den Rängen. Und weil noch viel mehr Leute glücklich werden wollten, weil der Vorverkauf gar so gut gelaufen ist, gibt's am Mittwoch ein zweites Konzert obendrauf, ebenfalls in der Olyhalle. Restkarten sind noch zu haben.

Quelle: tz, 24.05.16