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Kategorie: aktuell

 

 

 

"Hossa, aus dem Fenster – das blieb mir erspart"

Etliche Male musste Udo Lindenberg in den 90er-Jahren zur Alkoholentgiftung. Der Tod seiner Bruders brachte den Panikrocker zur Besinnung. Heute ist er froh, dass es ihm nicht wie Rex Gildo erging.

Rockmusiker Udo Lindenberg hat in den 90er-Jahren eine tiefe Krise durchlebt, die ihn beinahe das Leben gekostet hätte. "Irgendwann habe ich mir schon gedacht, dass es mal vorbei ist", sagte der 66-Jährige der "Bild am Sonntag". "Ich war etliche Male zur Entgiftung im Krankenhaus", sagte er mit Bezug auf sein Alkoholproblem. "Die haben da schon zu mir gesagt, dass ich doch lieber von der Köhlbrandbrücke springen solle, denn sie hätten Wichtigeres zu tun. Da habe ich gesagt: Eigentlich habt ihr ja recht."

In Anspielung auf den Tod des Schlagersängers Rex Gildo sagte Lindenberg: "In Möbelhäusern auftreten und dann Hossa, Hossa aus dem Fenster. Das ist mir zum Glück erspart geblieben." Rex Gildo war im Oktober 1999 aus einem Fenster seiner Wohnung in München gesprungen und war wenige Tage später gestorben.

Erst der Tod seines Bruders im Jahr 2006 habe ihn zur Besinnung und zu dem Schluss gebracht, auf seine "ureigene Art" zu vertrauen, sagte Lindenberg der Zeitung. "Ich schrieb das Lied 'Stark wie Zwei', und es begann das zweite Kapitel meiner Karriere."

 

"Endlich wieder das ganz große Ding"

"Stark wie Zwei" war für ihn der "große Gong zur Lebensrunde zwei". Er wollte es allen zeigen: Fans, Kritikern und auch sich selbst. Als der Musiker Ostern vor genau fünf Jahren sein Comeback mit dem gleichnamigen Album antrat, sprach er noch vom "Tal des Zweifels", das hinter ihm lag. Acht Jahre lang hatte er keine komplett neue Platte mehr vorgelegt.

Von Zweifeln, Skepsis, hohen Erwartungen von außen und von ihm selbst erzählte der in Hamburg lebende Sänger, "der Druck war groß". Er wollte zurück in die Charts, "endlich wieder das ganz große Ding". "Die Wiederauferstehung des Udo Lindenberg", kündigte damals die "Welt am Sonntag" an. Genau fünf Jahre später feiert der 66-Jährige den "krönenden Höhepunkt" – jedenfalls den vorläufigen.

Denn seit Lindenbergs Rückkehr reißen die Erfolgsmeldungen aus seiner "Panikzentrale" in Hamburg nicht ab: Er, der Jahrzehnte zuvor 1973 mit "Alles klar auf der Andrea Doria" den Durchbruch geschafft hatte, landete mit "Stark wie Zwei", seinem 34. Studioalbum, das erste Nummer-eins-Album seiner Karriere. Auch die Aufnahme seines "MTV Unplugged"-Konzerts katapultierte ihn an die Chartspitze.

Die jüngste Tour vor einem Jahr wurde zur "größten und spektakulärsten, die wir je gemacht haben", sagt er. Ein 160 Minuten langer Mitschnitt jener Konzertreise, auf der er im Zeppelin durch die größten Hallen schwebte und allein die Kölner Lanxess-Arena dreimal füllte, ist am Karfreitag mit der DVD "Ich mach mein Ding – Die Show" erschienen.

Der Rockstar plant eine Akademie samt Workshops

"Unfassbar", sagt Lindenberg, "das waren fünf geile, goldene Jahre". Der "Sänger aus Phönixien", wie er sich selbst taufte, sicherte sich Gold- und Platinauszeichnungen und bekam weitere Echos – 1992 hatte er die Trophäe schon mal erhalten, damals bereits für sein Lebenswerk. Jüngere Kollegen wie Jan Delay und Clueso traten mit ihm in seinen Shows auf, Stefan Raab setzte sich bei "Jonny Controlletti" und "Sonderzug nach Pankow" ans Schlagzeug.

Inzwischen geht in Berlin auch Lindenbergs eigenes Mauer-Musical "Hinterm Horizont" über die Bühne, im Sommer dieses Jahres wird sein Panikorchester 40 Jahre alt.

Jetzt wolle er erst einmal ein bisschen durchatmen, erzählt der Musiker. Doch eigentlich sei er ja sowieso immer "auf'm Sprung – mit Neugierde und Entdeckergeist". An wirkliche Ruhe sei nicht zu denken, sagt er. Für einen Film bastle er an einer Story rund um den Kalten Krieg, berichtete Lindenberg jüngst der "Frankfurter Rundschau".

Auch an der "Panik City" feilt er weiter. Sie soll mehr werden als ein Museum: Der Rockstar plant eine Art Akademie samt Workshops für den Musikernachwuchs. Ein Platz dafür schien im vergangenen Sommer in seiner Wahl-Heimat gefunden, doch noch ist nichts konkret. "Die Panik City ist groß in Plane, aber der Standort muss noch genauer ausgecheckt werden", formuliert es Lindenberg.

Udo-Film: Der kleine Matze aus Gronau

Auf jeden Fall gehört sie zu den Vorhaben, denen er sich nun verstärkt widmen will. Dazu zählt noch ein weiteres Filmprojekt: ""Das Leben des Lindianers"" über den kleinen Matz aus Gronau ist auch ein Spielfilm, den wir vorhaben", sagt Lindenberg, den sie als kleinen Jungen in seiner Heimatstadt Gronau alle nur "Matz" riefen.

Auch neue Lieder sollen folgen. "Mit den Antennen unterm Hut neue Spirits auffangen, Eingebungen aus'm Weltall für neue Songs", erklärt er. "Die Fans brauchen neuen Stoff, sonst kommt Entzug." Die neue DVD sei ein Höhepunkt jener vergangenen Jahre, die zu den schönsten seines Lebens zählten, aber: "Hinter allen Horizonten geht's weiter."

Quelle: Welt, 31.03.13